Neue Autos – neue Crashtests: EVERSAFE

Neue Autos – neue Crashtests: EVERSAFE

© Fraunhofer EMI
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Penetrationstest nach Standardvorgaben (links) und nach vom EMI entwickelten Vorgaben (rechts).
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Simulationsbeispiele mit der Elektrovariante des Toyota Yaris.

Elektro-Autos sind emissionsfrei und leiser als die Vorgängergeneration. Aber wie sicher sind sie im Vergleich zu konventionellen Autos? Um das zu überprüfen, braucht es veränderte Testmethoden, weil E-Autos statt eines Treibstofftanks eine Batterie mit sich führen. Diese ist je nach Hersteller an einer anderen Stelle eingebaut, auch deshalb stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, wie aktuelle Crashtest-Richtlinien angepasst werden müssten.

Im Fokus des Forschungsprojekts EVERSAFE (Everyday Safety for Electric Vehicles) stand für das EMI die passive Fahrzeugsicherheit von E-Autos. Ebenfalls an Arbeiten zur passiven Sicherheit beteiligt waren das Fraunhofer ICT, das schwedische Forschungsinstitut für Verkehr und Transportwesen (VTI), die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und die Volvo Car Corporation (VCC). Gefördert wurde das Projekt durch das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU. 

Um das Sicherheitsniveau eines E-Autos im Crash beurteilen zu können, hat das EMI untersucht, welche Beschleunigungspulse Batterien aufnehmen können und welche Folgen deren Deformation und deren Beschädigung durch Penetration auf die Fahrzeugsicherheit haben. Dazu wurden die Zellen und Zellmaterialien einer Lithium-Ionen-Batterie analysiert und modelliert und darüber hinaus ganze Fahrzeugmodelle bei unterschiedlichen Crashlastfällen simuliert. 

Die Versuche an den Lithium-Ionen-Zellen haben gezeigt, dass Schädigungen der Separatorfolie zwischen den Elektroden in der Regel zu signifikanten chemischen Reaktionen führen. Dabei gingen die Wissenschaftler über die Vorgaben der Standardtests hinaus und entwickelten neue Testkonfigurationen. Standardtests mit spitzen Eindringkörpern und Scherversuche mit scharfkantigen Metallblechen riefen auch bei vollständig aufgeladenen Zellen keine chemischen Reaktionen hervor. Dies zeigt, dass die heutzutage auf dem Markt verbreitenden Zellen sehr gut auf Normbedingungen ausgelegt sind. Jedoch muss die Sicherheit der Zellen auch dann gewährleistet werden, wenn die im Crash zu erwartenden Belastungen von diesen Laborbedingungen abweichen: Ein neuer, am EMI entwickelter Testaufbau mit einem stumpfen Penetrator aus Kunststoff führte jedoch zu Kurzschlussreaktionen mit bedeutenden elektrochemischen Folgen (siehe mittleres Bild). Die mikroskopische Betrachtung der Lithium-Ionen-Zelle und deren Einzelschichten konnte belegen, dass die Separatorschichten, die im Standardtest noch weitgehend isolierend gewirkt hätten, durch den stumpfen Penetrator lokal erheblich beschädigt wurden und dadurch die Kurzschlussreaktion einsetzte.

Im Crash sind also hinsichtlich der Batterie die mechanischen Eigenschaften des Batteriepacks und der umliegenden Struktur entscheidend – ihre Deformation sollte nach Möglichkeit verhindert werden. Die aktuelle Strategie besteht in der Regel darin, die Batteriegehäuse so steif wie möglich zu konstruieren. Das wiederum stellt allerdings höhere Anforderungen an die Konstruktion des Fahrzeugs, da ein sehr steifes Batteriegehäuse die Gesamtsteifigkeit des Fahrzeugs grundsätzlich erhöht, wodurch sich die im Crash auf die Insassen wirkenden Beschleunigungswerte verschlechtern. E-Autos müssen also hinsichtlich ihrer Energieabsorptionsfähigkeit völlig anders ausgelegt werden als Autos mit Verbrennungsmotoren. 

Über die Szenarien der aktuellen Crashtest-Normen auf der Gesamtfahrzeugebene hinaus entwickelte und untersuchte das EMI neue, teilweise anspruchsvollere Lastfälle, wie beispielsweise den Unterboden-Impakt, bei welchem überfahrene Objekte mit dem Fahrzeugunterboden kollidieren und damit möglicherweise dort verbaute Batterien in Mitleidenschaft ziehen. Auch ein von der BASt entwickeltes Unfallszenario mit mehreren aufeinander auffahrenden Fahrzeugen wurde mit numerischen Methoden untersucht.

Das Toyota-Yaris-Modell des US-amerikanischen National Crash Analysis Center NCAC wurde in ein Elektrofahrzeug erster Generation umgewandelt und mit typischen Crashpulsen verglichen und validiert. 

Die aus simulierten Crashlastfällen identifizierten kritischen Belastungen ermöglichen wertvolle Aussagen über das Verbesserungspotenzial gängiger Crashtest-Normen. Auf diese Weise wurde auch ein optimaler Bauraum für die Integration sicherheitskritischer Komponenten gefunden. 

Das EMI lieferte im Rahmen von EVERSAFE signifikante Beiträge zur Identifikation kritischer Crashlastfälle für ausgewählte Elektrofahrzeugkonzepte. Durch ergiebige numerische Simulationen konnten wertvolle Verbesserungsvorschläge für bestehende Crashtest-Richtlinien erarbeitet werden, die auf die besonderen Gegebenheiten von E-Autos Rücksicht nehmen. 

Der Bericht »Recommendations and Guidelines for Battery Crash Safety and Post-Crash Safe Handling« steht zum Download bereit: 

http://www.eversafe-project.eu/files/pages/554/deliverables/d3-1-eversafe-guidelinesforbatterysafetyandsafehandling-recommendationscrashcompatibility.pdf