Fraunhofer EMI entwickelt mit Projektpartnern Schutzsysteme gegen Terroranschläge
MULTISCHUTZ – Sicherheit auch im Ernstfall
Maßnahmen, die Menschen vor Anschlägen schützen, sollen widerstandsfähig, flexibel und unauffällig sein. Mit modernsten Verbundwerkstoffen erarbeiten Mehler Engineered Defence GmbH, das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Schutzlösungen für Innenräume, Fassaden von Altbauten und für die Gestaltung von Neubauten.
Terroristische Anschläge wie der auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg 2018 zeigen: Das Risiko für Anschläge ist real. Wer ein Konzert oder ein Fußballspiel besucht, in den Urlaub fliegt oder einfach nur mit der S-Bahn zur Arbeit fährt, bewegt sich im öffentlichen Raum, in dem ein Attentat zumindest denkbar wäre. Die Partner Mehler Engineered Defence GmbH, EMI, und BBK stellen sich im Projekt MULTISCHUTZ die Frage, wie Menschen in diesen Räumen im Falle eines Anschlags besser geschützt werden können – und entwickeln dafür Schutzlösungen.
»Menschen vor den Auswirkungen von Explosionen oder Beschuss zu schützen, ist sowohl unser Anliegen als auch unsere größte Kompetenz.« sagt Christian Vahldiek, Geschäftsführer von Mehler Engineered Defence GmbH. Die Firma entwickelt und fertigt seit Jahren Sicherheitslösungen für Schiffe, Land- und Luftfahrzeuge, die dabei helfen, dass die Soldaten der Bundeswehr im Einsatz besser geschützt sind. Dazu nutzt Mehler Verbundwerkstoffe, die aus zwei unterschiedlichen Materialien bestehen und jeweils deren wünschenswerte Eigenschaften verbinden. »Unsere Schutzlösungen sind dann zum Beispiel sehr robust, aber gleichzeitig relativ leicht und so für die mobile Anwendung sehr gut geeignet«, erklärt Vahldiek den Vorteil. Mehler weiß, wie und aus welchen Werkstoffen Bauteile gestaltet werden müssen, damit sie auch extremen Belastungen widerstehen. »Zusammen mit unseren Partnern wollen wir in MULTISCHUTZ diesen Vorteil noch weiter optimieren und für zivile Anwendungen nutzbar machen.«
Tests mit Sprengversuchen durch das Fraunhofer EMI
Die Besonderheit der Idee hinter MULTISCHUTZ erläutern die beiden Projektpartner Fraunhofer EMI und das BBK. »Neben dem Szenario einer Anwendung unserer Schutzlösung in großen Aufenthaltsbereichen wie Bahnhöfen oder Flughäfen soll das System auch zur nachträglichen Verstärkung sicherheitsgefährdeter Bauwerke von außen dienen und sogar bei der Planung und Umsetzung von Neubauten Verwendung finden«, sagt Dr. Alexander Stolz, Abteilungsleiter Sicherheitstechnologie und Baulicher Schutz am Fraunhofer EMI in Freiburg. »Besonderen physikalischen Schutz gegen mögliche Bedrohung brauchen zum Beispiel ein Botschaftsgebäude in einem Krisengebiet oder eine Einrichtung der kritischen Infrastruktur, wie etwa eine Serverfarm.« Das Fraunhofer EMI forscht seit Jahrzehnten an solchen Lösungen und ist im Projekt unter anderem dafür zuständig, die von Mehler gefertigten Versuchsteile in realen Sprengversuchen zu testen.
Keine Unsicherheit schaffen, sondern Sicherheitsgefühl vermitteln
Schutzlösungen sollen so dezent, unauffällig und ästhetisch ansprechend wie möglich in den öffentlichen Raum integriert sein. »Wir wollen vermeiden, dass sich Menschen aufgrund einer festungsartigen Architektur‘ eher noch unsicherer fühlen«, erklärt Katharina Gerlach vom BBK. An Flughäfen könnte es etwa um Blickdurchlässigkeit bei explosionshemmenden Trennwänden gehen. »Um hier die Bedarfe der Menschen wie auch der Betreiber verstehen zu können, werden wir im Projekt eng mit sogenannten Endanwendern zusammenarbeiten«, so Gerlach. Dazu zählen etwa die Betreiber von Flughäfen, die Deutsche Bahn oder aber auch die Besitzer großer Veranstaltungshallen und Stadien. »Wir sind als BBK mit diesen Akteuren ohnehin im ständigen Austausch. Im Rahmen von MULTISCHUTZ werden wir eine Reihe von Workshops organisieren, um Lösungen für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sicherzustellen. Für unsere Aufgaben im Bundesamt ist dieses Projekt wichtig, um die Bevölkerung vor den Gefahren zu schützen, für die wir umfänglich verantwortlich sind.«
Transfer von der Verteidigungsindustrie in die Sicherheitstechnologie
Möglich wird MULTISCHUTZ durch das Innovationsprogramm »Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien« (DIVERS), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ins Leben gerufen wurde. DIVERS soll Lösungen zur Erhöhung der Sicherheit von Menschen in gefährlichen Situationen, die von Unternehmen der Verteidigungsindustrie, zum Beispiel für die Bundeswehr entwickelt wurden, auch für die zivile Sicherheit nutzbar machen. Damit sollen auch die Unternehmen selbst gestärkt und durch eine Diversifizierung ihres Produktportfolios dazu in die Lage versetzt werden, neue Märkte zu erschließen. »Das ist für uns als mittelständisches Unternehmen eine tolle Chance, die wir nutzen wollen und die natürlich auch an unserem Standort in Königslutter einen echten wirtschaftlichen Mehrwert erzeugen soll«, sagt Vahldiek über das Projekt.
Im Projekt MULTISCHUTZ arbeitet das niedersächsische Unternehmen Mehler Engineered Defence GmbH gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts. MULTISCHUTZ läuft seit dem 1. Dezember 2018 und hat insgesamt eine Laufzeit von 2,5 Jahren. Das Projekt wird mit Mitteln in Höhe von rund 900 000 Euro vom Wirtschaftsministerium gefördert.
Informationsblatt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zum Projekt Multischutz