Vogelschlag auf Hubschrauber – neue Simulationsmethoden

© Fraunhofer EMI
Abbildung 1: Vogelschlag-Szenario. Ein Ersatzmodell eines Vogels (blaue Partikel) durchschlägt, von links kommend, die Sichtscheibe eines Bell MH6 »Littlebird« Helikopters. Die Beschleunigung des Crashtests-Dummies dient zur Visualisierung der nach Durchbruch durch die Scheibe verbleibenden kinetischen Energie des Vogels.
© Fraunhofer EMI
Abbildung 2: Neuartige Modellierung von Vogelschlag. Die Schutzscheibe eines Helikopters wird mit der netzfreien SPH-Methode modelliert. Die hierbei auftretenden Rissmuster zeigen deutlich verbesserte Übereinstimmung mit dem in Experimenten beobachteten Verhalten. Die Farben der Materialpunkte entsprechen einem Versagensindex, blau und rot bedeuten hierbei nicht bzw. vollständig versagt.
© Fraunhofer EMI
Abbildung 3: Im Gegensatz zur Finite-Elemente-Methode können realistische Trümmerteile der Schutzscheibe verfolgt werden, da keine Notwendigkeit zur Löschung dieser teilweise versagten Materialpunkte besteht. Die Farbskala zeigt die Geschwindigkeit der Materialpunkte, wobei rot einer Geschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde entspricht.

Vogelschlag bezeichnet die Kollision eines Vogels mit einem Flugzeug. Obwohl ein Vogel deutlich leichter, kleiner und viel weniger hart als die exponierten Teile eines Flugzeuges ist, werden Vögel bei Relativgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde, welche typischerweise während der Start- und Landephase in Bodennähe erreicht werden, zu gefährlichen Geschossen mit enorm hoher Durchschlagskraft. Hubschrauber sind durch ihre niedrige Einsatzhöhe und ihre vergleichsweise sehr großen Sichtfenster stärker als andere Flugzeuge durch Vogelschlag gefährdet. Abbildung 1 zeigt ein beispielhaftes Szenario für einen Vogelschlag: Das Ersatzmodell eines Vogels durchschlägt die Schutzscheibe eines Helikopters, eine getroffene Person kann so ernsthaft verletzt werden. 

Deshalb ist eine konstruktive Auslegung des Hubschrauber-Cockpits für erhöhte Sicherheit gegen Vogelschlag besonders wichtig. Dies benötigt jedoch exakte Informationen über die zu erwartenden Belastungen, die nur durch eine Kombination aus sehr aufwendigen Experimenten und Simulation geliefert werden können. Es besteht deshalb ein großes Interesse daran, den experimentellen Aufwand gering zu halten und verstärkt numerische Modelle einzusetzen. Dies ist nur dann möglich, wenn die Vorhersagegüte der Simulation ausreichend hoch ist, um die Ergebnisse als vertrauenswürdig und belastbar einzustufen. 

Die Finite-Elemente-Methode, das üblicherweise eingesetzte Verfahren zur Simulation mechanischer Strukturbelastungen, ist für dynamische Lastfälle mit extremen Versagensmustern ungeeignet. Besser eignet sich der Einsatz sogenannter netzfreier Methoden. Hierbei wird das numerische Modell des zu berechnenden Körpers mit Materialpunkten diskretisiert, welche nur als temporäre Stützstellen zur Lösung der Euler-Gleichungen dienen. Eine netzfreie Methode ist das sogenannte Smooth-Particle-Hydrodynamics-Verfahren, welches über die letzten zwei Jahrzehnte aktiv am Fraunhofer EMI weiterentwickelt wurde. Ein im Jahre 2014 erzielter Durchbruch [1] hat dazu geführt, dass auch die Versagensmuster verhältnismäßig spröder Materialien mit guter Genauigkeit modelliert werden können. Abbildung 2 zeigt das Ergebnis der mit dieser netzfreien Methode erzielten Modellierung des Vogelschlags. Hierbei treten durch Rissausbreitung Versagensmuster auf, welche sehr gut mit experimentellen Beobachtungen korrelieren. Eine zweite, in Abbildung 3 dargestellte Ansicht dieses Szenarios von der Innenseite des Cockpits aus zeigt zudem die Trümmerteile der durchschlagenen Schutzscheibe, welche mit hoher Geschwindigkeit verschiedene Orte im Innenraum erreichen können. Dieser neuartige Simulationsansatz besitzt somit eine verbesserte Vorhersagegüte zur Gefährdungsanalyse der Insassen, sodass eine konstruktive Auslegung zur Verminderung des Gefährdungspotenzials leichter erreicht werden kann. Die dargestellten Simulationsergebnisse mit der netzfreien Methode wurden mit dem am EMI entwickelten Simulationsprogramm Smooth Mach Hydrodynamics berechnet. Dieses Programm beinhaltet neben den in [1] publizierten Stabilisierungsalgorithmen den neuesten Stand der Technik für die Simulation sehr starker Deformationen mit netzfreien Methoden. Zudem erlaubt es die Simulation sehr großer Systeme mit Millionen von einzelnen Materialpunkten aufgrund einer auf massiv parallele Berechnungen ausgelegter Programmarchitektur.

 

[1] Ganzenmüller G. C. (2014), An Hourglass Control Algorithm for Lagrangian Smooth Particle Hydrodynamics. Computer Methods in Applied Mechanics and Engineering, in press, DOI 10.1016/j.cma.2014.12.005