Softwarelösung zur schnellen Analyse der kollateralen Auswirkungen von Explosivwirkmitteln in besiedelten Gebieten

Softwarelösung zur schnellen Analyse der kollateralen Auswirkungen von Explosivwirkmitteln in besiedelten Gebieten

© Fraunhofer EMI
Abbildung 1: Aktuelle Version der grafischen Benutzeroberfläche des CEW-Simulators mit einer Seitenleiste zur Szenariowahl, einer Kopfzeile und einem Hauptbereich, der hier die Startseite mit Einführungstext und nach Szenariowahl die 3D-Visualisierung des Szenarios zeigt.
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Abbildung 2: Ausschnitt der 3D-Visualisierung einer fiktiven Großstadt im CEW-Simulator bei Tag (oben) und bei Nacht (unten).
Abbildung 3: 3D-Visualisierung einer fiktiven Kleinstadt im CEW-Simulator ohne (oben) und mit (unten) Darstellung von Explosionswirkungen eines mehrfachen Waffeneinsatzes.

Das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung, auf Englisch Geneva International Centre for Humanitarian Demining (GICHD), ist eine nicht staatliche Expertenorganisation, die zusammen mit Staaten, den Vereinten Nationen und anderen Organisationen an der Verringerung der humanitären Folgen von Minen, Streumunition und anderen explosiven Gefahrenherden arbeitet. Angetrieben durch dieses strategische Ziel hat das GICHD das Forschungsprojekt »Characterisation of Explosive Weapons« (CEW) zur Betrachtung von Kollateralschäden bei dem Einsatz von Explosionswaffen in besiedelten Gebieten ins Leben gerufen.

  

Sicherheit von Zivilpersonen erhöhen 

Durch den Wirkbereich einer einzelnen Explosion sowie die Ungenauigkeit und den mehrfachen Einsatz ergibt sich bei vielen Explosionswaffen eine Wirkung, die über den eigentlich beabsichtigten Wirkungsort hinaus- oder an diesem vorbeigeht. Infolge dieser Weitbereichswirkung kommt es beim Einsatz explosiver Waffen in besiedelten Gebieten überwiegend zu zivilen Schäden. Mit seinen Untersuchungen im CEW-Forschungsprojekt möchte das GICHD einen Beitrag zur internationalen Diskussion über den verantwortungsvollen Einsatz von Explosionswaffen leisten und die Sicherheit von Zivilpersonen erhöhen. Dabei geht es dem GICHD nicht darum, den Einsatz in besiedelten Gebieten moralisch oder rechtlich zu bewerten, sondern die Konsequenzen eines solchen Einsatzes rein technisch zu beschreiben. 

 

Vorausberechnete Szenarien für eine schnellere Untersuchung 

Im Rahmen des CEW-Forschungsprojekts beauftragte das GICHD das Fraunhofer EMI mit der Entwicklung einer webbasierten Softwarelösung, mit der simulierte Wirkungen von Explosionswaffen in besiedelten Gebieten untersucht werden können. Eine wesentliche Anforderung an den sogenannten CEW-Simulator ist die Möglichkeit einer schnellen Untersuchung. Zeitintensive Modellerstellungen und Berechnungen, wie bei Computersimulationen üblich, sind zu vermeiden. Stattdessen soll der CEW-Simulator vorausberechnete Szenarien zur Verfügung stellen, die mit einem Webbrowser dargestellt und untersucht werden können.

 

Besiedelte Gebiete in realitätsnaher 3D-Visualisierung betrachten 

Basierend auf diesen Anforderungen entwickelte das Fraunhofer EMI eine Webanwendung, die im Wesentlichen aus einer Datenbank zur Speicherung von digitalen 3D-Modellen besiedelter Gebiete und Berechnungsergebnissen besteht. Außerdem wurde eine grafische Benutzeroberfläche zur 3D-Visualisierung dieser Daten erstellt. Abbildung 1 zeigt die aktuelle Version der Benutzeroberfläche. Die Leiste auf der linken Seite stellt Steuerelemente und Funktionen zur Wahl eines Szenarios bereit. Die Benutzer des CEW-Simulators können beispielsweise zwischen fünf fiktiven besiedelten Gebieten und zwei Tageszeiten wählen und sich davon eine realitätsnahe, interaktive 3D-Visualisierung anzeigen lassen (siehe Abbildung 2). Die digitalen 3D-Modelle der besiedelten Gebiete sind fest in der Datenbank der Webanwendung hinterlegt und durch die Benutzer nicht veränderbar. Sie wurden in enger Abstimmung mit dem GICHD erstellt und beinhalten unter anderem verschiedene Arten von Gebäuden und Fahrzeugen sowie Personenverteilungen im Freien, in Gebäuden und in Fahrzeugen.

 

Berechnung von Genauigkeit und Wirkung realer Explosionswaffen an Gebäuden, Fahrzeugen und Personen 

Für exemplarische Szenarien stellt der CEW-Simulator vorausberechnete Explosionswirkungen zur Verfügung. Die digitalen Modelle der Szenarien, auf denen die durchgeführten Berechnungen basieren, wurden unter den Vorgaben des GICHD erstellt und imitieren die Genauigkeit und Wirkung realer Explosionswaffen mittels generischer Werte. Die vom Fraunhofer EMI für die Quantifizierung der Explosionswirkungen entwickelte Berechnungsumgebung nutzt einen probabilistischen Ansatz in Verbindung mit etablierten und frei verfügbaren Methoden sowie konservativen Annahmen. Belastungen durch die Druckwelle und Fragmente werden durch eine simulierte 3D-Ausbreitung ermittelt, die Abschattungs- und Fokussierungseffekte von Gebäuden berücksichtigt. Basierend darauf bestimmt die Berechnungsumgebung zu erwartende individuelle und kollektive Auswirkungen für Gebäude, Fahrzeuge und Personen. Die in der Datenbank gespeicherten Berechnungsergebnisse der exemplarischen Szenarien können die Benutzer des CEW-Simulators über dessen grafische Benutzeroberfläche einsehen. Die Anwendung stellt lokale, individuelle Auswirkungen durch Einfärben von Oberflächen in der virtuellen 3D-Umgebung dar und gibt kollektive Auswirkungen als Text aus. Abbildung 3 zeigt ein beispielhaftes Ergebnis für Auswirkungen in einer fiktiven Kleinstadt.

 

Schnelle Visualisierung anstelle von zeitintensiven Berechnungen 

Der für das GICHD entwickelte CEW-Simulator kann somit zur schnellen Visualisierung von zu erwartenden, generell kollateralen Auswirkungen von Explosionswaffen in besiedelten Gebieten eingesetzt werden. Die Benutzer der Webanwendung müssen weder Szenarien aufbauen, noch zeitintensive Berechnungen durchführen. Stattdessen stehen vorausberechnete Ergebnisse von circa 130 000 Szenariovariationen unmittelbar zur Verfügung, die in einer interaktiven, virtuellen 3D-Umgebung eingehend untersucht werden können. Die intuitiv zu bedienende Anwendung ist mit einer modernen grafischen Benutzeroberfläche mit 3D-Visualisierung ausgestattet und läuft mit allen gängigen Webbrowsern.