Haben Sie einen realen Einsatz erlebt?
Heusinger: Nein, und das ist auch nicht geplant. Wir würden als Beobachtende nur stören.
Moser: Eine kleine Anekdote dazu: Beim LKA in Stuttgart durfte ich einen Entschärfungsroboter bedienen und sollte den Roboter aus dem Zimmer über zwei Gänge in ein anderes Zimmer lenken, um nachzusehen, ob auf einem Schrank etwas liegt. Ich dachte mir, das schaffe ich leicht, habe ja Erfahrung mit Fernsteuerung von Autos etc. Nach 20 Minuten saß ich völlig schweißüberströmt da, war gerade erst am Schrank angekommen und brauchte noch sehr lange, bis ich den Roboter an die richtige Stelle manövriert hatte. Mit nur wenigen Kameras am Roboter fehlt einfach die Orientierung im Raum. Wenn man bedenkt, dass man bei einem echten Einsatz vielleicht einen Anfahrtsweg von 50 Metern hat, eventuell noch Hindernisse wie Treppen überwinden muss und dann feststellt, der Roboter ist mit unpassenden Sensoren ausgestattet, während jede Minute der Sperrung Geld kostet, ist das keine angenehme Situation. Genau deswegen müssen die vom Roboter gesammelten Informationen leicht erfassbar und die Sensorsteuerung vernünftig gelöst sein. Und es ist wichtig, dass ich den Roboter mit der nötigen Ausrüstung bestücken kann, ohne zum Wechseln nochmal zurück fahren zu müssen. Das ist ingenieurtechnisch gesehen ein sehr spannender Aspekt.
Wie gestaltet sich die bilaterale und interdisziplinäre Arbeit mit den verschiedenen Projektpartnern?
Heusinger: Die Partnerschaft mit Österreich hat den Vorteil, dass sowohl die Technologiestandards als auch ethische und rechtliche Aspekte sehr ähnlich sind. Wir ergänzen uns sehr gut.
Moser: Davon lebt unsere Zusammenarbeit. In regelmäßigen Treffen stimmen wir uns ab, damit wir aufeinander aufbauen und die Ergebnisse kompatibel sind. Für die ganzheitliche Betrachtung widmen sich die verschiedenen Projektpartner unterschiedlichen Aspekten: So geht es um ethisch-rechtliche Fragen für die Rahmenbedingungen, um Hardwareintegration oder darum, für die jeweiligen Technologien zu gewährleisten, dass die notwendigen Schnittstellen vorhanden und auf dem Roboter einsetzbar sind und dass die Daten zusammengeführt, sinnvoll gespeichert und dargestellt werden. Das geht nur durch Austausch und Kommunikation.
Heusinger: Es ist spannend, über den Tellerrand zu blicken und neue Blickwinkel aus anderen Forschungsfeldern auf die Thematik zu erfahren. Es werden Fragen aufgeworfen, die man sich nie gestellt hätte, und man lernt sehr viel, nicht nur fachlich oder technologisch.
Wie funktioniert die internationale Zusammenarbeit in der Sicherheitsforschung? Sehen sich die Akteure als Konkurrenten?
Moser: Größte Konkurrenz wäre das Projekt USBV-Inspektor gewesen. Dessen Ergebnisse und Experten haben wir in unser Projekt integriert. Für unser Ziel eines sinnvollen Werkzeugs für die Endanwender wollen wir alle relevanten Akteure ins Boot holen.
Heusinger: International gibt es Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb der Sicherheitsforschung, oft in Form von Workshops oder Konferenzen. Im März war ich zum Beispiel auf der Border Security Expo in London. Der Informationsaustausch geht natürlich nur bis zu einem gewissen Punkt, dennoch ist Kooperation in der Sicherheitsforschung besonders stark an Vertrauensverhältnisse und Offenheit geknüpft. Das ist der Unterschied zu vielen anderen Forschungsbereichen.
Wie sicher fühlen Sie sich auf öffentlichen Plätzen wie Flughäfen oder Bahnhöfen?
Moser: Unsere Arbeit macht uns bewusst, welch wichtigen und anspruchsvollen Job unsere Sicherheitskräfte jeden Tag leisten und wie viel Anstrengung betrieben wird, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Ich habe großes Vertrauen in diese Maßnahmen. Das ist für mich weitere Motivation, wirklich gute Arbeit abzuliefern. Angst habe ich keine, sondern kann vielmehr die Gefahren einschätzen und bin davor gefeit, in einen Panikmodus zu verfallen.
Heusinger: Man kann niemals alles vorausplanen. Das wissen wir seit 9/11. Aber wir sehen, wie viel geforscht wird. Gerade das BMBF investiert viel Geld, um neuste Fragestellungen zu bearbeiten und Lösungen für potenzielle Gefahren zu erforschen. Was möglich ist, wird in der Sicherheitsforschung auch gemacht.
Wie ist der Ausblick nach DURCHBLICK?
Moser: Zunächst müssen wir die Weichen für eine vernünftige Verwertung des Projekts stellen, damit anschließend zeitnah aus dem Demonstrator auch ein Produkt entwickelt werden kann. Erstens sollen die Endanwender schnellstmöglich ein System in den Einsatz mitnehmen können, das leistungsfähiger als derzeit verfügbare Geräte ist. Zweitens müssen unsere Projektpartner, insbesondere die KMUs, die Chance bekommen, ihre im Projekt geleistete Arbeit wirtschaftlich umzusetzen, indem sie an Produktion und Verkauf beteiligt sind – beispielsweise als neuartiges Zubehörgerät für Entschärfungsroboter. Für uns am EMI ist es eine spannende technologische Frage, wie man die Endanwender bei der Bildauswertung durch Computeralgorithmen unterstützen kann. Außerdem könnte unser Roboter nach Beendigung des Projekts auf dem Sprengplatz in Kandern eingesetzt werden. Unsere Einsatzkräfte und Sprengmeister am EMI würden hiervon sicherlich profitieren.
Heusinger: Daneben lernen wir durch das Projekt die für uns noch neue Röntgenrückstreuung als Technologie kennen und überlegen, für welche EMI-typischen Forschungsinhalte sie noch einsetzbar wäre, wie eventuell das Sichtbarmachen von Rissen in Bauwerken.
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