Multi-Material-Leichtbau in der militärischen Luftfahrt

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Komplexes Versagen einer hybriden Verbindung im Experiment (a) und in der Simulation (b).

Die Anforderungsprofile für Missionen der Luftwaffe stellen höchste Ansprüche an die Leistungsfähigkeit militärischer Flugzeuge. Neben Sensorik, Elektronik und Bewaffnung kommt insbesondere der Struktur eine besondere Bedeutung zu: Um Reichweite und Nutzlast des Flugzeugs zu maximieren, muss sie leicht sein, gleichzeitig aber eine hohe Zuverlässigkeit und Sicherheit bei extremen Flugmanövern und Schutz bei Beschuss sicherstellen. 
 

Richtig verbunden

Ein probates Mittel, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist der intelligente Multi-Material-Leichtbau. Diese Auslegungsphilosophie basiert auf der Annahme, dass es für das Beanspruchungskollektiv jeder Baugruppe oder Subkomponente einen idealen Werkstoff gibt. Beispielsweise eignen sich Faserverbundwerkstoffe aufgrund ihrer Anisotropie hervorragend für Strukturen, bei denen die Belastung eine klare Vorzugsrichtung aufweist. Hochfeste Aluminiumlegierungen hingegen bieten eine gute, kostengünstige Alternative für Bauteile, deren Belastung keine klare Vorzugsrichtung aufweist. Der Multi-Material-Leichtbau verfolgt nun die Prämisse: »Der richtige Werkstoff am richtigen Ort«. In diesem Kontext wird die Bedeutung der Fügetechnik offensichtlich, welche sicherstellt, dass die verschiedenen Werkstoffe sicher miteinander verbunden werden.

Experiment oder Simulation? Beides!

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer EMI untersuchen das Verhalten gefügter Multi-Material-Verbindungen unter hochdynamischen Belastungen, wie sie in der militärischen Luftfahrt auftreten können. Dabei wird ein kombinierter Ansatz aus Experiment und Simulation verfolgt, um das Verhalten verschiedenster gefügter Verbindungen besser zu verstehen. Die Beispiele in den Abbildungen zeigen eine Multi-Material-Verbindung aus einem metallischen Fügeteil und einem Fügeteil aus kohlenfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Im Rahmen der Grundfinanzierung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) wurden dabei drei verschiedene Fügetechniken untersucht: eine geklebte Verbindung, eine gebolzte Verbindung und eine hybride geklebt-gebolzte Verbindung.

Im ersten Schritt wurde untersucht, wie einfach überlappte, gefügte Zugscherverbindungen dynamisch geprüft werden können. Es zeigte sich, dass bislang der Stand der Wissenschaft noch keine zufriedenstellende Lösung hinsichtlich der Messgenauigkeit angeboten hatte. Nun konnten die Forschenden am Fraunhofer EMI die Versuchstechnik des Split Hopkinson Tension Bars dahingehend weiterentwickeln, dass Messungen möglich sind, die nicht durch begleitend entstehende Schwingungen überlagert werden

Im zweiten Schritt wurden Finite-Elemente-Simulationsmodelle erstellt, welche das Versagensverhalten der drei verschiedenen gefügten Verbindungen bestmöglich abbilden sollen. Dies stellt besondere Herausforderungen an die numerische Simulation, da die gefügten Multi-Material-Strukturen ein sehr komplexes Versagensverhalten zeigen, bei welchem verschiedenste Mechanismen miteinander interagieren. Die Abbildungen zeigen, dass es am Fraunhofer EMI gelungen ist, die komplexen Phänomene, die während des Versagensvorgangs auftreten, gut in den numerischen Modellen abzubilden.

Am Fraunhofer EMI steht somit nun eine Toolbox aus experimentellen und numerischen Methoden zur Verfügung, welche die Untersuchung verschiedenster Fügetechniken unter quasistatischer und dynamischer Belastung ermöglicht.

 

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Vergleich zwischen numerischer Simulation (links) und Experiment (rechts).