Mechanische Materialmodelle für polymergebundene Sprengstoffe

Mechanische Materialmodelle für polymergebundene Sprengstoffe

© Fraunhofer EMI
PBX-Probe für die Materialcharakterisierung.

In modernen Sprengmunitionen werden in der Regel polymergebundene Sprengstoffe, kurz PBX (Polymer Bonded Explosives), eingesetzt. Dabei handelt es sich um heterogene Materialien, bei denen die reaktiven Bestandteile (wie Oktogen- oder Hexogen) in eine weiche Polymermatrix eingebettet sind. Während die Sprengstoffkristalle eine hohe Steifigkeit aufweisen und spröde versagen, zeigt die Polymermatrix typischerweise ein viskoelastisches Verhalten. Zusätzlich beeinflusst der Verbund zwischen den Kristallen und der Polymermatrix das mechanische Verhalten entscheidend, auch im Hinblick auf mögliche reaktive Umsetzungen bei dynamischen Belastungen.

Das Fraunhofer EMI erforscht, wie sich diese Materialien unter dynamischer Belastung, wie Abschuss oder Impakt, verhalten und inwieweit hierbei eine Initiierung auftreten kann. Dies macht zunächst eine Materialbeschreibung notwendig. Hierzu werden Materialmodelle eingesetzt, die viskoelastisches Materialverhalten mit Rissbildungsprozessen kombinieren und damit auch Debonding-Phänomene zwischen Sprengstoff und Matrix beinhalten. Für die Bestimmung der entsprechenden Materialparameter stehen umfangreiche experimentelle Anlagen zur Verfügung, die für den sicheren Betrieb mit Sprengstoffen ausgelegt sind. Neben Prüfmaschinen, die zur Realisierung von hohen statischen Druckbelastungen eingesetzt werden, stehen Split-Hopkinson-Pressure-Bar-Anlagen in unterschiedlichen Konfigurationen für dynamische Belastungen zur Verfügung. Darüber hinaus erlaubt der Einsatz einer speziellen Messkammer die mechanische Untersuchung von Sprengstoffen bei unterschiedlichen Temperaturen.

Zur Bestimmung der reaktiven Umsetzung bei moderaten Lasten wird die am Fraunhofer EMI entwickelte STT-Anlage (Safety Threshold Testing) verwendet. Durch Abgleich der experimentellen Ergebnisse mit numerischen Simulationen, basierend auf der zuvor erarbeiteten mechanischen Beschreibung und einem zusätzlichen Reaktionsparameter (sogenannte »Browning«-Parameter), kann ein materialbezogener Schwellwert ermittelt werden, ab dem mit dem Eintritt einer Reaktion zu rechnen ist. Dieser kann anschließend für prädiktive Simulationen im Bereich der Munitionssicherheit eingesetzt werden.

 

© Fraunhofer EMI
Split-Hopkinson-Pressure-Bar-Anlage zur dynamischen Materialcharakterisierung.
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Computertomografie einer PBX-Probe.
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Zielaufbau der »Safety Threshold Testing«-Anlage zur experimentellen Bestimmung der Reaktionsschwelle von polymergebundenen Sprengstoffen.
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Numerische Simulation des Projektilimpakts.