Auf dem Weg zu prognosefähigen Modellen
Nach 60 Jahren Raumfahrt nimmt die Verschmutzung vielgenutzter Erdumlaufbahnen durch Raumfahrtrückstände kritische Dichten an. Der Großteil dieser als Space Debris bezeichneten Objekte stammt aus Explosionen und Zusammenstößen, wobei letztere sowohl unabsichtliche Kollisionen als auch die geplante Demonstration militärischer Antisatellitenmaßnahmen umfassen. Angesichts der im Aufbau befindlichen Konstellationen tausender Satelliten und der zunehmenden Bedeutung des Weltraums als militärische Ressource ist ein Verständnis von katastrophalen Fragmentierungen von Satelliten und deren Konsequenzen essenziell. Numerische Simulationen zum Nachstellen solcher Vorgänge sind sehr komplex und aufwendig. Um für eine Analyse verschiedener Kollisionsszenarien realistische Computerrechenzeiten und repräsentative Ergebnisse zu erzielen, sind Entwicklungen von Material- und Ersatzmodellen für komplexe Strukturen notwendig. Dies war der Inhalt des erfolgreich abgeschlossenen Vorhabens DiFraO (Disruptive Fragmentierungsereignisse im Orbit).
Um die Fragmentierungsdynamik nach dem Impakt eines Objekts mit einem Satelliten vorherzusagen, wurde auf Laborversuche und numerische Simulationen mit dem EMI-eigenen Code SOPHIA zurückgegriffen. Der Fokus richtete sich dabei auf Sandwich-Bauteile, da sie ein wichtiger Strukturwerkstoff der Primär- und teils auch der Sekundärstruktur von Satelliten darstellen.
Von der Modellierung eines hochdetaillierten Satellitenbauteils…
Um die Impakteinwirkung auf Sandwich-Bauteile beurteilen zu können, muss deren komplexe Geometrie, die aus einem von CFK-Verbund-Platten verkleideten Honigwaben-Aluminium-Kern besteht, mit hohem Detailgrad modelliert werden. Somit können über den Beschuss der Sandwich-Struktur durch ein Projektil lokale Effekte, insbesondere der Kanalisierungseffekt, bei dem die Wabenzellen als Treibkanal für die Fragmente agieren, abgebildet werden. Außerdem liefern experimentelle Beschussversuche mithilfe hoch spezialisierter Instrumentierung Erkenntnisse über die in der Sandwich-Struktur hinterlassenen Schadensbilder sowie statistische Verteilungen von Observablen wie Fragmentflugwinkel und -geschwindigkeit. Ein Abgleich zwischen numerischem Modell und Experiment wurde somit erzielt.
… über die Herleitung eines Ersatz-Satellitenbauteils …
Die Integration von hochdetaillierten Sandwich-Strukturen in reale, mehrere Meter große Satellitenstrukturen lässt sich aufgrund des hohen induzierten Rechenaufwands nicht leicht realisieren. Stattdessen wurde vorgeschlagen, die Wabenzellen und das geometrische Gitter hochzuskalieren, ohne dabei den wichtigen Kanalisierungseffekt zu verlieren. Die Gültigkeit des resultierenden Ersatz-Modells wurde durch den Vergleich des von den Fragmenten getragenen Impuls als Funktion ihres Flugwinkels mit dem originalen, unskalierten Modell überprüft.